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Die historischen Webstühle, auf denen sie nach jahrhundertealter Art gewebt werden, sind ein Schatz – ebenso wie die Lochkarten, die das Geheimnis der Muster hüten. Stoffe, vor mehr als 100 Jahren von berühmten Gestaltern entworfen, können noch heute originalgetreu gefertigt werden – ein unschätzbarer Fundus für Denkmalschützer und Schlossherren, aber auch für Menschen wie Du und Ich. Denn die klassischen Entwürfe haben nichts von ihrer Schönheit eingebüßt und die jungen Eigentümer haben ein feines Händchen für stilsichere Experimente, was neue, aufregende Farben angeht. So macht sich der fein gewebte Gobelin von Cammann auch im eleganten Wohnambiente von Heute unsagbar schick. Oder als Aufsehen erregender Stoff, aus dem Modeträume sind – zum Beispiel Mäntel oder Taschen.

2014 kauften Peggy Wunderlich und Torsten Bäz die historische Weberei. Beide kommen aus der Textilbranche und beiden war klar: Dieses einmalige Zeitzeugnis muss erhalten werden. „Die Stoffe, die wir hier weben, sind von allerhöchster Güte“, sagt Peggy Wunderlich. Mit sage und schreibe 15.000 Kettfäden ist der Stoff von Cammann besonders dicht gewebt und somit überaus strapazierfähig – perfekt für anspruchsvolle Polstermöbel oder Wandbespannungen, die Jahrzehnte halten sollen.

Der wahre Schatz des Unternehmens jedoch sind die Musterkarten. „Das Weben mit einer Lochkarte funktioniert im Prinzip wie ein Computer – nach dem binären System, also Null oder Eins. Eigentlich ganz einfach“, lacht Peggy Wunderlich. Seit 1910 sind die historischen Originale der Lochkarten erhalten, bis 1989 kamen immer neue hinzu. „Somit verfügen wir über eine weltweit einzigartige Bandbreite an sofort reproduzierbaren Webmustern, die die gesamte Palette an Stilen abbilden, die das 20. Jahrhundert prägten – vom Jugendstil über Art Deco bis hin zu den Mustern der fünfziger, sechziger und siebziger Jahre. Auch Neobarock und Neogotik standen zeitweise hoch im Kurs“, erzählt Peggy Wunderlich. Das ist nicht nur für Restaurationen interessant, sondern auch für alle, die diese stilistische Vielfalt schätzen und kreativ interpretieren. „Was die farbliche Gestaltung der Muster angeht, sind wir komplett frei“, sagt Peggy Wunderlich und zeigt auf einen Retro-Cocktailsessel aus den Fifties, den sie neu bezogen hat. Vögel und Granatäpfel tummeln sich auf weißem Grund, das Ganze wirkt leicht und ausgesprochen modern. „Früher gab es diesen Stoff nur in Schwarz oder Dunkelrot“, sagt die junge Unternehmerin. „Wir weben ihn jetzt auch in Weiß – das sieht so schön fröhlich aus.“ Manchmal gehen Bäz und Cammann auch auf Spurensuche. „Oft kommen Kunden mit alten Cammann-Stoffen zu uns und wollen diese nachgewebt haben. Dann suchen wir alte Mustermappen, Patronen- und Auftragsbücher durch und werden meist auch fündig“.

Im Websaal, der sich im vierten Stock einer historischen Weberei befindet, rattert und klackert es ohrenbetäubend. Jeder Bediener kann nur einen einzigen Webstuhl bedienen. Ständig muss kontrolliert werden, dass die Fäden nicht reißen und falls es doch passiert, muss der Weber den Faden von Hand wieder anknüpfen. Auch beim Farbwechsel gilt es, die neue Kette von Hand anzudrehen. „Weber zu finden, die dieses Handwerk noch beherrschen, ist eine unserer größten Herausforderungen“, sagt Peggy Wunderlich.

Peggy Wunderlich und Torsten Bäz legen Wert auf hochwertige Materialien und regionale Lieferketten. Die Wolle, aus der die Kettfäden geschärt werden, stammt aus der Region, ebenso wie das Garn, mit dem die Kreativen von Cammann daraus Vorhänge oder Polsterbespannungen nähen. Peggy Wunderlich erklärt, wie die Fäden von der Spule auf den Webstuhl kommen: „Beim Schären werden die Fäden von 200 Spulen auf einen Kettbaum aufgewickelt. Das ergibt dann ein Band. Insgesamt weben wir mit 44 Bändern – das sind bei einer Stoffbreite von 1,30 Meter bis zu 15.000 Fäden.“ In einer Kette können bis zu fünf verschiedene Farben gemischt werden. Dies erfordert jedoch eine präzise Planung im Voraus – ein Wissen, das bei Camman seit 1886 bewahrt und bis heute mit Leben und frischen Ideen erfüllt wird.

Werksverkauf: Muster- und Testmengen in vielen Varianten, nach telefonischer Terminvereinbarung

Vertriebspartner: Polsterer, Raumausstatter, Restauratoren und Stoffhändler

Tipp: Die Cammann Weberei befindet sich im selben Gebäude wie die Historische Schauweberei in Braunsdorf, geöffnet Mi – So 10-16 Uhr.

2014 kauften Peggy Wunderlich und Torsten Bäz die historische Weberei in Braunsdorf. Foto: Cammann GbR
2014 kauften Peggy Wunderlich und Torsten Bäz die historische Weberei in Braunsdorf.

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