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Was haben Gummibärchen-Tüten, Tapeten, Servietten und Bettwäsche mit der Innenausstattung des Tesla gemeinsam? Sie alle haben ihr Dekor den Druck-und Prägeformen aus der Sächsischen Walzengravur Frankenberg (SWG) zu verdanken. In einem der ältesten Walzengravurwerke der Welt, 1890 gegründet und heute noch bzw. wieder in Familienbesitz, entstehen Formen für verschiedenste Verfahren: Tiefdruck, Siebdruck, Flexodruck und Prägungen – immer mit besonderen Ansprüchen an Material, Farben und Qualität. In einer eigenen mechanischen Fertigung werden technische Walzen produziert, eine Spezialgalvanik für Sleeves veredelt hochpräzise Druckhülsen. Vierzig Prozent der Produktion gehen ins Ausland, bis nach Südamerika und an die Elfenbeinküste, in Litauen werden Wertpapiere und Reisepässe mit Druckformen aus Frankenberg hergestellt. Die Kunden schätzen die besondere Güte der mittelsächsischen Walzen, die Millionen von Metern mit dem aufgravierten Motiv bedrucken können.

Das Besondere an der Sächsischen Walzengravur ist die Technologievielfalt. „Wir vereinen praktisch alle Verfahren zur Herstellung von Druck- und Prägeformen für sämtliche relevanten konventionellen Druckverfahren in einem Haus. Damit gehören wir zu den ganz wenigen Komplettanbietern weltweit“, sagt Geschäftsführer Michael Wiegner. „Genau das macht die Arbeit hier so spannend: Wir bearbeiten eher kleinere Aufträge, dafür sehr viele davon, mit unterschiedlichsten Anforderungen und immer sehr schnell.“

Beim Blick in die Produktion der Tiefdruck- und Prägeformen fallen als erstes die riesigen Metallwalzen ins Auge. Eine wahre Augenweide sind die mehrere Meter langen, mit einer hauchdünnen Kupferschicht veredelten Stahlzylinder, in die ein Diamant oder Laser filigrane Muster eingraviert hat – von zarten Blümchen für Waschmittelverpackungen bis hin zu Schriftzügen von Logos und Dessins für Tapeten. „Kupfer lässt sich besonders gut gravieren“, erklärt Michael Wiegner. „Am Schluss wird die Walze wieder mit einer dünnen Chromschicht überzogen, damit sie haltbarer wird.“

Die Tiefdruck- und Prägeformen, für die die Kupferwalzen benötigt werden, machen rund ein Drittel der Produktion aus, die Mittelsachsen zählen zu den gefragtesten Spezialisten in diesem Bereich weltweit. „Die Globalisierung hat auch unsere Branche voll erfasst“, erzählt Michael Wiegner. „Kürzlich führten wir einen Kunden aus Israel durch unser Unternehmen, der auf unseren Referenzfotos beliebte Bonbons aus seinem Heimatland entdeckte – er bot uns sogar eins zum Probieren an. Die Druckformen für die israelische Bonbontüte kommen von uns aus Frankenberg, hergestellt wird die Verpackung in Tschechien. Typisch Globalisierung.“ Die Kunstledersitze in der Transsibirischen Eisenbahn erhielten ihre Prägung von Walzen aus Frankenberg, das Foliendach des Olympiastadions in Berlin wurde mithilfe mittelsächsischer Formen beschichtet, sogar Teile der Innenausstattung des Kreuzfahrtschiffs Queen Mary II wurden mit Druckformen der SWG veredelt.

Michael Wiegner machte in Mittelsachsen eine Ausbildung zum Industriekaufmann und bewarb sich 2007 auf eine „ganz normale Stellenanzeige“ als kaufmännischer Leiter bei SWG. Schon nach einem Jahr bekam er Prokura, seit 1. Januar 2017 ist er einer von drei Geschäftsführern. „Das Verhältnis in der Unternehmensführung war von Anfang an sehr angenehm, unabhängig von Position oder Titel“, sagt er. „Alle werden als gleichwertig betrachtet, Entscheidungen gemeinsam getroffen."

„Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich mal Geschäftsführer werde“, schmunzelt der dynamische Unternehmer im schmal geschnittenen schwarzen Anzug. „Als ich 1997 mit der Schule fertig wurde, waren viele Akademiker arbeitslos. Da wollte ich lieber etwas ‚Richtiges‘ von der Pike auf lernen. Also machte ich eine Ausbildung zum Industriekaufmann, erwarb später an der Abendschule den Abschluss als Bilanzbuchhalter. Damit wird man sicher nicht Finanzchef bei einem Großkonzern, aber hier durfte ich in meine Aufgaben hineinwachsen. Irgendjemandem ist wohl aufgefallen, dass ich, wenn ich etwas mache, immer mit vollem Einsatz dabei bin. Jetzt bin ich einer von drei Geschäftsführern, kenne alle 140 Mitarbeiter persönlich und hänge mit ganzem Herzen an diesem Unternehmen – als wäre es das eigene. Es ist toll, wenn man so jung Verantwortung übernehmen darf, etwas zugetraut bekommt und die Chance erhält, mit seinen Aufgaben zu wachsen.“

Die Gründerfamilie wirkt als Gesellschafter aktiv an der Entwicklung des Unternehmens mit. Nach der Enteignung zu DDR-Zeiten hat sie die Firma 1990 zurückgekauft, um die Reprivatisierung zu beschleunigen. Der älteste Gesellschafter, der heute 87 Jahre alt ist und dessen Großvater das Unternehmen gründete, kam kurz nach der Wende mit seiner Mutter nach Frankenberg. In den Hallen traf sie einen ehemaligen Lehrling, mittlerweile stark ergraut, den sie vor Jahrzehnten in seiner Ausbildung kennengelernt hatte. Vor dem alten Wohnhaus der Familie brach die Mutter dann in Tränen der Rührung aus und sagte zu ihrem Sohn: „Hier musst du dich drum kümmern.“ Dieses Versprechen erfüllte ihr die Familie. Die erste Geschäftsführung nach der Wende wurde von den Mitarbeitern gewählt. Mit der Janoschka-Gruppe holte man sich einen kompetenten Branchenexperten mit an Bord, der das technische Know-how beisteuerte – eine kluge Entscheidung, die den Übergang in die freie Marktwirtschaft vereinfachte. Zusammen mit den frei gewählten Geschäftsführern und einer hoch motivierten Belegschaft gelang der Sprung in eine neue Zeit – ein Geist, der nun von Generation zu Generation weitergegeben und gelebt wird. So wie von Geschäftsführer Michael Wiegner.


Michael Wiegner
Geschäftsführer Michael Wiegner

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